Ordnung ist das ganze Leben

Zugegeben (und der Ordnung halber): Der Titel stammt aus einem Roman von Ludwig Harig. Harig beschreibt darin das Lebensprinzip seines Vaters. Dieser stellte die Ordnung in allen Dingen her. Sogar auf seinem Teller beim Essen lagen Fleisch, Gemüse und Kartoffeln in einer bestimmten Ordnung. Ordnung kann störend oder lästig wirken, sie kann übertrieben sein. Keine Frage! Man sollte aber deshalb die Ordnung nicht grundsätzlich verwerfen.

Das Thema „Ordnung“ ist nicht erst seit gestern ein Reizthema im menschlichen Zusammenleben. Zur Ordnung finden sich zahlreiche Sprichwörter. „Ordnung ist das halbe Leben!“ heißt eines davon, wobei dann oft hinzugefügt wird“...Unordnung ist die andere Hälfte!“ Die Ordnung und Ordentlichkeit wurden auch oft schon als „Sekundärtugend“ abqualifiziert. Man meinte demnach, es sei keine so wichtige und bedeutende Fähigkeit, Ordnung zu schaffen oder Ordnung zu halten. „Wer Ordnung hält ist nur zu faul zum Suchen!“ gilt als gängige Ausrede gegen die Ordnung. Sie ist eine Struktur, die in allen Bereich eines Lebens eine Rolle spielt. Meine Gedanken müssen geordnet sein, ich muss meine persönlichen Dinge in Ordnung halten. Wenn man im Flur den Schlüssel immer beim Betreten der Wohnung an den Schlüsselhaken hängt, weiß man, wo man ihn suchen muss. Das ganze Leben bedarf der Ordnungsstrukturen.

Zweifellos hilft die Ordnung einem Menschen, sich in dieser Welt zu orientieren. Die Verkehrsordnung regelt den Verkehr und verhindert Unfälle, sofern sich alle an die Ordnung halten. Die Hausordnung teilt die Arbeiten im Haus gerecht auf und sichert das friedliche Miteinander aller Hausbewohner. Warum soll also Kindern kein Ordnungsbegriff anerzogen werden? Er ist für sie eine Orientierung. Natürlich kann man Ordnungen auch in Frage stellen. Man sollte es aber immer konstruktiv tun. Ist eine Ordnung nicht schlüssig oder unsinnig, sollte man sie nicht einfach wegwerfen, sondern eine bessere, sinnvollere Ordnung herstellen.

Ordnung hat auch etwas mit Verantwortung zu tun. Etwas ist mir zur Pflege anvertraut. Ich soll ein Augenmerk darauf haben. Ich muss mich kümmern. Schulkinder kommen bisweilen zu mir und behaupten, Ihnen sei etwas gestohlen worden. Schließlich findet sich das vermisste Teil in ihrem Kasten oder unter ihrer Bank. Es ist ganz typisch! Das Kind sagt nicht: „Ich finde etwas nicht!“ Das Kind sucht die Verantwortung außerhalb seines Verantwortungsbereichs. Weit über 90% aller mir angezeigten angeblichen Diebstähle entpuppen sich schließlich als „vergessen, verloren, liegen gelassen“.

Wir erleben in unserer Schule Kinder, die schon in dem kleinen Mikrokosmos ihres Ranzens keine Ordnung schaffen können. Da liegen über Tage oder sogar Wochen verschimmelte Brote oder zerknülltes Papier im Ranzen. Die Hefte haben Eselsohren und das Lineal ist zersplittert, weil es nicht im Mäppchen geschützt wurde. Bekommen solche Kinder ein kopiertes Blatt, verschwindet dies in einer Ecke des Ranzens, wenn es überhaupt eingesteckt wird. Die Stifte im Mäppchen werden innerhalb kurzer Zeit verloren. Kaum drei Monate nach Anschaffung ist das Mäppchen nur noch mit Resten bestückt. Keine Frage, dass solche Kinder sehr bald mit einem neuen Mäppchen in der Schule erscheinen und freudestrahlend verkünden: „Meine Mama hat mir wieder ein neues Mäppchen gekauft!“ Eigentlich toll, wenn das so problemlos geht! Keine drei Wochen aber vergehen, bis die Schere, der Kleber oder das Lineal schon wieder nicht mehr vorhanden sind. Bücher oder Hefte werden irgendwo gedankenverloren vergessen. Jedes halbe Jahr bringe ich zudem einen Sack mit liegengelassenen Kleidern zum Fundamt, weil sich niemand nach ihnen sehnt.

Bei Kindern müsste die Ordnung in der Verantwortlichkeit gegenüber den eigenen Dingen beginnen. Die Kleider, die Spielzeuge, das eigene Zimmer sind Bereiche, wo auch ein Kind schon in seinem Rahmen Ordnung halten kann. Man sollte einem Kind Ordnungsstrukturen vermitteln. Nach einem Spiel räumt das Kind die Spielsteine zusammen und ordnet sie im Kasten. Dann wird der Kasten an seinen Platz im Schrank gestellt. Meistens erledigen diese Arbeiten die Mütter, statt sie dem Kind zu überantworten. Würden Sie Ordnung halten, wenn Sie einen ständigen Nachräumer hätten? Ein Kind, das nie die negativen Auswirkungen seiner Unordnung gespürt hat, wird keinen Sinn für Ordnung entwickeln. Je mehr es Eltern gelingt, das Kind ohne Streit die Folgen seiner Unordnung selbst ertragen zu lassen, desto eher wird es einsehen, dass „Ordnung halten“ seine eigene Angelegenheit ist. Vielleicht beginnt man damit, dass gemeinsam mit dem Kind aufgeräumt wird. Aber das Kind muss daran beteiligt sein – und nicht nur als Zuschauer verfolgen, wie die Mutter aufräumt!

Jeder sollte für sein Kind mit einem guten Beispiel vorgeben, indem man selber Ordnung schafft und einhält, z.B. in der Küche, im Wohnzimmer, im Kleiderschrank. Auch beim Thema „Ordnung“ gilt der Satz: „Ich kann sagen, was ich will! Mein Kind macht, was ich tue!“